Vorträge zum Leitthema „Bildwelten“
Bilder können faszinieren, aber sie können auch ängstigen. Sie verführen und entführen uns in angenehme Vorstellungswelten, aber sie können auch erschrecken und entsetzen. Bilder sind in der Lage, komplizierte Sachverhalte zu vereinfachen, während ihr Fehlen auf verborgene Seiten in unserer Kultur verweist. Mit den Mitteln der Technik ist eine enorme Bildproduktion möglich geworden. Sie bestimmt das Berufs- und Alltagsleben, Wissenschaft und Kunst, Vorstellung und Wahrnehmung. Mit dem Thema „Bildwelten“ veranschaulicht die Montagsakademie eine beeindruckende Bandbreite an wissenschaftlichen Fragestellungen und lädt zu einer Fülle an Bildbetrachtungen ein.
Aufzeichnung der Montagsakademie vom 14.10.2013
"Bilder als Spiegel der Gesellschaft? Ihre Macht und die Rolle ihrer BetrachterInnen"
Ao.Univ.-Prof. Dr. Katharina Scherke, Institut für Soziologie, Universität Graz
Woran denken wir, wenn wir uns das Leben in anderen Gesellschaften oder zu anderen Zeiten vorstellen? Es sind vorrangig unterschiedliche Bilder (Kunstwerke, Fotografien, Filme usw.), die den Stoff für unsere (soziale) Vorstellungswelt liefern. Will man die Wirkungsweise dieser Bilder verstehen, ist es notwendig sowohl ihre Entstehung, ihre Vermittlung, die von ihnen suggerierten Botschaften und insbesondere ihre tatsächliche Rezeption durch die BetrachterInnen einer eingehenden Analyse zu unterziehen. Der Vortrag wird einen kurzen Überblick über verschiedene wissenschaftliche Ansätze geben, die sich mit Bildern und den Möglichkeiten ihrer Analyse beschäftigen. Davon ausgehend wird anhand von unterschiedlichen Beispielen der Frage nachgegangen, wie Bilder unsere Vorstellungswelt prägen und welche (aktive) Rolle dabei den BetrachterInnen zukommt. Bilder können zwar bestimmte Botschaften sehr eindrucksvoll vermitteln, jedoch entspricht ihre Rezeption nicht immer automatisch den in sie gesetzten Erwartungen.
Aufzeichnung der Montagsakademie vom 04.11.2013
"Sterben Gläubige leichter? Sterbebilder aus unterschiedlichen Kulturen"
Ao.Univ.-Prof. DDr. Birgit Heller, Institut für Religionswissenschaft, Universität Wien
Spirituelle Modelle für die Bereitung zum Sterben finden sich in religiösen Traditionen quer durch die verschiedenen Kulturen. Die Sterbebilder decken sich nur teilweise mit dem Erleben sterbender Menschen. Der Faktor Glaube kann sich auswirken auf den Umgang mit dem Sterben, mit Angst und Schmerzen und auf die Todesbereitschaft. Glaube bzw. Spiritualität können das Sterben erleichtern. Der Glaube baut Brücken, garantiert aber nicht ihre Tragfähigkeit. Und es gilt auch nicht der Umkehrschluss, dass Menschen, die sich selbst als weder religiös noch spirituell bezeichnen, zwangsläufig schwer sterben müssen. Prinzipiell fragwürdig ist jeder universale Maßstab für das Sterben: Ist leicht/schnell/sanft sterben überhaupt für alle ein erstrebenswertes Ziel?
Aufzeichnung der Montagsakademie vom 25.11.2013
"Bilder vom Recht. Funktion und Bedeutung in der Entwicklungsgeschichte des Rechts"
Em.Univ.-Prof. Dr. Dr.h.c. Gernot Kocher, Institut für Österreichische Rechtsgeschichte und Europäische Rechtsentwicklung,
Karl-Franzens-Universität Graz
Bilder mit rechtlichem Inhalt gibt es seit rund zweitausend Jahren und ungefähr gleich lange gibt es auch schriftliche Rechtsaufzeichnungen. Während die Verschriftlichung des Rechts kontinuierlich zunahm (mit einem ersten Höhepunkt im 18. Jahrhundert), variieren Bilder vom Recht je nach Zeitraum in ihrer Häufigkeit, Funktion und Bedeutung. Ein Höhepunkt ergibt sich im 13. und 14. Jahrhundert, aber sie spielen auch heute noch eine Rolle: Ein einfaches Beispiel aus der Gegenwart ist die Straßenverkehrsordnung mit ihren Schildern, deren Gestaltung gesetzlich festgelegt ist. Moderne Überlegungen, das Recht zur besseren Allgemeinverständlichkeit in Bildern wiederzugeben, sind im Sande verlaufen – es ist zu kompliziert geworden.
Aufzeichnung der Montagsakademie vom 09.12.2013
„Bilder gelebter und imaginierter Identität in postjugoslawischen Filmen"
Univ.-Prof. Dr. Renate Hansen-Kokoruš, Institut für Slawistik, Universität Graz
Der Film als visuelles Medium schöpft kulturelle Vorstellungen aus der sozialen Realität und wirkt mit seinen Bildwelten auf das Publikum zurück. Gerade die dramatischen politischen und gesellschaftlichen Ereignisse im (post)jugoslawischen Raum schlugen sich in Wertevorstellungen und wechselnden Vorstellungen vom kollektiven und individuellen Eigenen und Fremden nieder, die in ihrer Veränderbarkeit immer wieder in Filmen aus dem postjugoslawischen Raum thematisiert wurden. Der Vortrag kreist um einige der dominanten Identitätsbilder, aber auch um ihre Infragestellung und ihr Aufbrechen durch alternative Lebensbilder, die anhand von Filmen der letzten zwei Jahrzehnte beleuchtet werden.
Aufzeichnung der Montagsakademie vom 13.01.2014
"Stöbern in Bildwelten: Wissensentdeckung in komplexen biomedizinischen Datenmengen"
Assoc.Prof. Dr. Andreas Holzinger, Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Dokumentation, Medizinische Universität Graz
Zu den Herausforderungen unserer vernetzten Welt zählen große und komplexe Daten. Diese immer monströser werdenden Datenmengen ("big data") erfordern effiziente, benutzerfreundliche Lösungen zur Wissensentdeckung in solchen Daten. In der Biomedizin ist es am deutlichsten: Durch den Trend zur personalisierten Medizin explodiert die Menge an biomedizinischen (-omik) Daten. Hilfreich können dabei visuelle Analysemethoden sein, welche die Stärken automatischer, computerbasierter Methoden mit den Fähigkeiten des Menschen, z.B. rasch Muster und Trends in solchen Bildwelten zu erkennen, miteinander kombinieren. Insbesondere durch interaktive Manipulation in den Daten können so Zusammenhänge, Gemeinsamkeiten, Unterschiede, Anomalien usw. erkannt und somit neue Erkenntnisse und Einsichten gewonnen werden.
Aufzeichnung der Montagsakademie vom 20.01.2014
"Echt oder Falsch? Bildende Kunst und die Kunst der Bildfälschung"
Prof. Dr. Henry Keazor, Institut für Europäische Kunstgeschichte, Universität Heidelberg
„Für Kunstkritiker und Kunsthistoriker stellt das Erkennen von Kopien und Falsifikaten seit jeher eine der Hauptaufgaben ihrer Tätigkeit dar“, schreibt der Wissenschaftshistoriker Federico Di Trocchio 1992 in seinem Buch „Der große Schwindel“. Fälle wie der des kürzlich verurteilten Wolfgang Beltracchi, der zu seinen Kunstfälschungen auch gleich die entsprechenden Herkunftsgeschichte gefälscht hatte, halten bis heute Museen von Weltrang in Atem. Zugleich sagen Fälschungen sehr viel über die Gesellschaft aus, in der sie erdacht, hergestellt und verkauft werden. In dem Vortrag werden signifikante Beispiele für Fälschungen aus unterschiedlichen Epochen der Kunstgeschichte dargestellt und ihre jeweils zeitgebundene Entstehung und Wirkung diskutiert.
Aufzeichnung der Montagsakademie vom 10.03.2014
„Wie wirklich ist die Wirklichkeit? Von Wahrnehmungen, Illusionen und Sinnestäuschungen"
Assoz. Prof. Mag. Dr. Hildegard Kernmayer, Zentrum für Kulturwissenschaften & Institut für Germanistik, Universität Graz
Sinnliche Wahrnehmung ist ein gleichermaßen physischer wie psychischer Prozess. Es ist unser Körper, der uns sehen, hören, riechen, schmecken lässt, der uns Temperaturen und Drücke empfinden lässt und uns – im Verein etwa mit Gedächtnisinhalten oder Emotionen, Interessen und Erwartungen – gleichsam eine Welt erschließt. Die Frage, ob die Welt, die wir ‚wahrnehmen’, objektiv gegeben ist oder ob uns unsere Sinne täuschen, beschäftigt Philosophie, Psychologie und Kunst seit jeher. Auch im Vortrag wird dieser Frage nachgegangen und gezeigt, dass weder das Sehen noch irgendein anderer Sinn auf essentielle Objektivität oder Gewissheit Anspruch erheben kann. Wie ‚wirklich’ ist also die ‚Wirklichkeit’?
Aufzeichnung der Montagsakademie vom 24.03.2014
„Der verführerische Charme von Bildern in der Wirtschaftswissenschaft"
O.Univ.-Prof. Mag. Dr. Heinz-Dieter Kurz, Institut für Volkswirtschaftslehre, Karl-Franzens-Universität Graz
„Bilder lügen!“, heißt es. Das stimmt, und es stimmt auch wieder nicht. Dies wird für den Fall der Wirtschaftswissenschaften und der sich wirtschaftswissenschaftlicher Argumentationsfragmente bedienenden Politik sowie des Journalismus beispielhaft belegt. In dieser Wissenschaft spielen Bilder eine große Rolle. Zum einen verwendet sie Statistiken und stellt diese diagrammatisch dar. Die besondere Art der Darstellung kann beim Betrachter gewisse Eindrücke bewirken, und ganz gewisse Eindrücke sind seitens der Verwender der Diagramme, seien sie nun Politiker oder Journalisten, auch gewollt: Man will nicht nur informieren, sondern indoktrinieren und instrumentalisieren. Man will, dass das Bild in bestimmter Weise gelesen wird und vertraut auf die suggestive Kraft der gewählten Darstellung. Das angefertigte Bild selbst „lügt“ dabei nicht notwendigerweise, aber sein Erzeuger macht sich zunutze, dass Teile des Publikums das Bild nicht richtig lesen können. Bilder lügen selbst dann nicht, wenn sie nur Teile der darzustellenden Befunde aufzeigen. Derjenige, der die Auswahl getroffen hat, mag indes damit bestimmte Absichten verfolgen. Dann gibt es Bilder zur Darstellung mehr oder weniger komplizierter dynamischer wirtschaftlicher Zusammenhänge. Dieser Fall ist ungleich schwieriger, weil die Frage nach wahr oder unwahr, richtig oder falsch nur sehr schwer zu beantworten ist und ein Urteil über die gesamte hinter einem Bild stehende Theorie verlangen würde. Wer aber, außer der Eingeweihte und klug Urteilende, ist dazu schon fähig?
Das nur vermeintlich einfachste Bild in der Wirtschaftswissenschaft ist wohl die Darstellung von Angebot und Nachfrage durch Kurven, die sich schneiden. Man sagt, auf diese Weise würde der Preis des betreffenden Produkts und die zu diesem Preis ge- und verkaufte Menge bestimmt. Tatsächlich lauern hinter dem unschuldig daher kommenden Bild gewaltige Monster, die nicht so einfach zu bändigen sind. Das Bild wirft mehr Fragen auf, als es Antworten gibt, wenn es denn überhaupt Antworten gibt.
Dies und Anderes wird im Verlauf des Vortrags verdeutlicht. Die Quintessenz des Beitrags lautet: Bilder können sehr effektiv lügen. Man tut gut daran, sich ihrem verführerischen Charme nicht ohne Gegenwehr zu ergeben. Aber muss derjenige, der auf der Hut ist, deshalb gleich zum Bilderstürmer werden? Nein. Bilder haben ihre nützliche Rolle beim Versuch, wenn schon nicht sich der Wahrheit zu nähern, so doch wenigstens sich von der Unwahrheit ein Stück zu entfernen. Mittels von Bildern können irrige Vorstellungen sowohl verstärkt als auch in Zweifel gezogen werden.
Aufzeichnung der Montagsakademie vom 7.04.2014
"Selbst- und Fremdbild bei Kindern: zur Entwicklung von Mitgefühl und Lüge"
Univ.-Prof. Dr. Barbara Gasteiger-Klicpera, Institut für Erziehungs- & Bildungswissenschaft, Karl-Franzens-Universität Graz
Wie ist es möglich, dass kleine Kinder, gerade einmal eineinhalb Jahre alt, dazu fähig sind, andere zu trösten, ihnen zu helfen und dass sie dabei nicht wahllos vorgehen, sondern genau wissen, wem sie ihr Vertrauen schenken? Wie entwickelt sich die Fähigkeit des Mitgefühls? Und welche Aspekte haben einen Einfluss darauf?
Die Fähigkeit, mit anderen mitzufühlen, beruht jedoch auf ganz anderen Voraussetzungen als die Fähigkeit, andere zu täuschen. Hat doch eine Lüge nur dann einen Sinn, wenn ich eine sehr präzise Vorstellung davon habe, was der andere weiß. Kinder benötigen also eine „Theorie des Bewusstseins“ anderer Menschen, deren Entwicklung Hand in Hand verläuft mit jener der eigenen Identität, also der Entwicklung eines Bildes von sich selbst und von anderen.
Diese Fragen führen uns zu grundlegenden Fragen des Entstehens von Erkenntnis und Erfahrung bei Kindern, denen im Vortrag nachgegangen werden soll.
Aufzeichnung der Montagsakademie vom 05.05.2014
„Das Nichtsehbare sichtbar machen: beeindruckend schöne Bilder der Quantenmechanik"
Ao.Univ.-Prof. Dr. Bernd Thaller, Institut für Mathematik, Karl-Franzens-Universität Graz
„Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ - ein Prinzip, das auch in der Wissenschaft Gültigkeit hat. Ermöglicht durch die technologische Entwicklung werden heute in immer stärkerem Maße computererzeugte Visualisierungen eingesetzt, um komplizierte Sachverhalte verständlicher zu machen. Visualisierungen sollen uns zeigen, wie etwas aussieht. Erst, wenn wir wissen, wie etwas aussieht, wird es für uns begreifbar, wird es Teil unserer Anschauung. Speziell in der Quantenmechanik können Bilder und Filme die ansonsten unanschaulichen Vorgänge verständlich machen. Dabei sind computererzeugte Visualisierungen besonders lohnend, da man es in der Quantenmechanik mit Phänomenen zu tun hat, die auf andere Weise als mit den Mitteln der Computergrafik gar nicht abgebildet werden können. Mittels neuartiger Verfahren können heutzutage Bilder erzeugt werden, die einen eigenen ästhetischen Reiz ausüben und die Laien und Fachleute gleichermaßen faszinieren. Im Vortrag werden zahlreiche dieser neuen Bilder und Animationen gezeigt und deren wissenschaftlicher Hintergrund erläutert. Die Darstellungen ermöglichen neue Einsichten in das Wesen der Atome und liefern einen Vorgeschmack auf die Seltsamkeit der quantenmechanischen Realität.
Aufzeichnung der Montagsakademie vom 19.05.2014
„Ich sehe was, was du auch siehst? Geographische Welt-Bilder und die Macht der Karten"
Univ.-Prof. Dr. Ulrich Ermann, Institut für Geographie und Raumforschung, Karl-Franzens-Universität Graz
Die „Geographie“ ist traditionell eine Wissenschaft, die – ganz im wörtlichen Sinn – die Erde mit Bildern und Karten „beschreibt“ und „nachzeichnet“. Wenngleich die Beschreibung der Erdoberfläche schon lange nicht mehr das zentrale Betätigungsfeld von GeographInnen bildet, so haftet der Geographie noch immer eine „Kultur der Evidenz“ an. Insbesondere das mit Geographie assoziierte Medium der Karte gilt gemeinhin als Träger objektiver Information. Im Vortrag wird anhand verschiedener Beispiele aus Wissenschaft, Politik und Alltag gezeigt, dass Karten nie objektiv sind, sondern immer – beabsichtigt oder unbeabsichtigt – interessen- und machtgeladene Weltbilder transportieren. Zudem führen neue Technologien zu einer Auflösung der klassischen Rollenverteilung zwischen Produzenten und Konsumenten von Karten und damit verbundenen geographischen Weltbildern.
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