Vorträge zum Leitthema „Krisen – Ängste, Solidarität, Vernunft?“
Krisen scheinen derzeit allgegenwärtig. Sie liefern zwar Anstöße für notwendige Veränderungen, lösen aber zunächst meist Ängste aus. Inwieweit sind solche Ängste wissenschaftlich begründbar? Wie können und sollten aufgeklärte Gesellschaften auf Krisen reagieren? In ihrem aktuellen Programm spannt die Montagsakademie einen thematischen Bogen von Krisen in den Beziehungen zwischen Mensch, Natur und Technik, über Krisen in Religion, Politik und Gesellschaft bis hin zur (solidarischen) Verarbeitung von Krisen und Ängsten in der Gesellschaft und den Medien.
Aufzeichnung der Montagsakademie vom 17.10.2016
"Herausforderung Klimaschutz – können wir den Klimawandel noch einbremsen?"
Univ.-Prof. Mag. Dr. Gottfried Kirchengast, Wegener Center für Klima und Globalen Wandel und Institut für Physik, Universität Graz
Die erste Frage dazu ist nach dem nötigen Rahmen für unser Handeln: Was sind die Bedingungen unter denen wir zuhause in Österreich und weltweit den Übergang zu einer nahezu CO2-emissionsfreien Wirtschaft und Gesellschaft schaffen können? Ich stelle dazu entscheidende Ergebnisse der Klimaschutz- und Transformations-Forschung zu notwendigen Rahmenbedingungen vor, ohne die der Übergang nicht gelingen kann. Wir müssen also diese Bedingungen herstellen bzw. mithelfen diese zu schaffen – das weltweite Pariser Klimaabkommen liefert dazu Rahmen-Hoffnung.
Die zweite Frage ist nach unserem konkreten Handeln: Welche Herausforderungen, Risiken und Chancen bringt dieser Übergang und was können wir persönlich, im Umfeld, in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik tun um das Einbremsen im 2 Grad Ziel zu erreichen? Ich werde dazu aus den wichtigen Emissionsbereichen wie Energie, Verkehr und Landnutzung erfolgreiche Impulse, Strategien und laufende Umsetzungen verschiedenster Klimaschutz-Engagierter, von Personen bis ganzen Staaten, vorstellen und daraus ableiten wie der weltweite Übergang gelingen kann.
Mein zusammenfassendes Motto vom Klimawandel-Wissen zum Klimaschutz-Handeln: Wir alle brauchen Verstand, Mut und Herz. Meistens mehr davon. Gönnen wir uns ruhig mehr davon.
Aufzeichnung der Montagsakademie vom 24.10.2016
"Fortschreitender Klimawandel - wo liegen die Grenzen unserer Anpassungsfähigkeit?"
Assoz. Prof. Mag. Dr. Birgit Bednar-Friedl, Institut für Volkswirtschaftslehre und Wegener Center für Klima und Globalen Wandel, Universität Graz
Der fortschreitende Klimawandel stellt die Menschheit weltweit vor zahlreiche Herausforderungen: der Anstieg des Meeresspiegels gefährdet küstennahe Regionen, die Landwirtschaft muss mit häufigeren Trockenheits- und Dürreperioden umgehen und veränderte Niederschlagsmengen fordern die Wasser- und Energieversorgung. In diesem Vortrag werden zunächst potenzielle Auswirkungen des Klimawandels auf unterschiedliche Weltregionen dargestellt. Im zweiten Teil des Vortrags werden die volkswirtschaftlichen Folgewirkungen diskutiert – welche Risiken und Chancen ergeben sich für unterschiedliche Wirtschaftssektoren? Und welche Rolle spielt der internationale Handel in der Übertragung dieser Risiken? Der dritte Teil des Vortrags thematisiert, wie diese Auswirkungen durch Klimawandelanpassung, beispielsweise durch Hochwasserschutz oder Informationsbereitstellung, reduziert werden können und wie die Anpassungsfähigkeit v.a. von Entwicklungsländern durch internationale Kooperation erhöht werden könnte.
Aufzeichnung der Montagsakademie vom 14.11.2016
"Entgrenzte Kommunikation. Hoffnungen und Ängste in der Internet-Gesellschaft"
Prof. Dr. Peter Vorderer, Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft, Universität Mannheim
Die vergangenen Jahre sind gekennzeichnet durch eine beispiellos schnelle und radikale Veränderung unseres Mediennutzungs- und Kommunikationsverhaltens. Was früher nur zu bestimmten Uhrzeiten und in spezifischen Situationen stattfand, geschieht heute fast immer und überall: Kommunikation hat sich ‚entgrenzt’. Die Möglichkeiten, nahezu permanent mit anderen Menschen in Verbindung zu stehen und Informationen über die Welt abzurufen, werden einerseits von den meisten Menschen mit Begeisterung aufgenommen, verursachen aber gleichzeitig auch Probleme im zwischenmenschlichen Umgang. Im Mittelpunkt dieses Vortrags stehen deshalb folgende Fragen: Warum geben sich immer mehr Menschen diesen neuen Kommunikationsmöglichkeiten nahezu hin? Welche Probleme erleben sie dabei und dadurch? Und schließlich: Wie gehen wir in einer offenen Gesellschaft damit um?
Aufzeichnung der Montagsakademie vom 05.12.2016
"Verlorenes Vertrauen. Zur Missbrauchskirse in der katholischen Kirche"
Pater Klaus Mertes SJ, Direktor am Kolleg St. Blasien, Deutschland
Aufzeichnung der Montagsakademie vom 09.01.2017
"Natur unter Druck - wir und die bedrohte Artenvielfalt"
Dipl.-Biol. Dr.habil. Christian Berg, Institut für Pflanzenwissenschaften, Universität Graz
Seit dem sesshaft werden des Menschen wird die Natur zu Gunsten der anthropogenen Kultur- und Siedlungslandschaft permanent zurückgedrängt und umgewandelt. Im 20. Jahrhundert entwickelte sich ein Bewusstsein für den schädigenden Einfluss des menschlichen Wirtschaftens auf die Biosphäre, aber auch für die Abhängigkeit von ihr. Das Verhältnis von Mensch und Natur entwickelte sich vom besorgten Gefühl Einzelner hin zur staatlichen Verantwortung mit einem Höhepunkt im Jahre 1992. Seitdem ist die Weltbevölkerung um 35 % (ca. 1.5 % im Jahr) angewachsen, und es überlagern die Sorgen um den Frieden und die Sicherheit, um die Demokratie, um die Stabilität der Wirtschaft und des Geldes sowie die Sorge um den Klimawandel die weltweiten Bemühungen für einen nachhaltigen Naturschutz. Die strukturellen und funktionellen Veränderungen der Biosphäre stoßen an die planetare Grenze, angezeigt durch einen ungebremsten Verlust der Artenvielfalt. Das Hauptproblem, die Raumkonkurrenz zwischen Mensch und Natur wird immer bleiben, muss aber dringend im 21. Jahrhundert durch ein intelligentes, flächendeckendes Konzept zum Erhalt möglichst vieler Reste an Lebensräumen und Arten flankiert werden.
Aufzeichnung der Montagsakademie vom 23.1.2017
Flüchtlings„krise“ aus menschenrechtlicher Sicht
Ass.Prof.i.R. DDr. Renate Kicker, Institut für Völkerrecht und Internationale Beziehungen, Universität Graz
Was versteht man unter Flüchtlings„krise“? Eine Krise in den Zufluchtstaaten, hervorgerufen durch Flüchtlingsströme und/oder Krisensituationen in den Herkunftsländern, die zu Fluchtbewegungen führen? Worin unterscheiden sich politische Flüchtlinge von Einwanderern, die aus wirtschaftlichen Gründen ihr Land verlassen haben (Armutsmigration)? Welchen Schutz bietet das internationale Recht Menschen auf der Flucht und Menschen in den Aufnahmeländern? Finden diese Menschenrechte in der Praxis auch Anwendung oder befinden sich auch die Menschenrechte in einer Krise? Diesen Fragen wird aus der Sicht des internationalen Rechts sowie aus der Praxis des Menschenrechtsschutzes in diesem Vortrag nachgegangen. Lösungen zum Thema Flüchtlings„krise“ sollte man sich davon allerdings nicht erwarten.
Aufzeichnung der Montagsakademie vom 13.03.2017
"Politik der Krise, Krise der Politik"
Ass.Prof. Mag. Dr. Manfred Prisching, Institut für Soziologie, Universität Graz
An Krisen mangelt es nicht. Unter diesen Krisen sind aber nicht notwendig historisch unvergleichbare Zerfallsprozesse zu sehen, vielmehr findet die Entwicklung der komplexen spätmodernen Gesellschaften möglicherweise überhaupt im „Krisenmodus“ statt. Der Politik als vielseitiger Steuerungsinstanz wird mehr abverlangt als früher, aber ihre Handlungsmöglichkeiten sind viel stärker eingeschränkt. Deshalb wächst in den Wählerschaften vieler europäischer Länder die Zahl der Enttäuschten und Unzufriedenen. Die Krisenpolitik verwandelt sich in eine Politikkrise.
Aufzeichnung der Montagsakademie vom 27.03.2017
"Krise - wissenschaftstheoretisch und -historisch betrachtet"
Univ.-Prof. Dr. Simone De Angelis, Zentrum für Wissenschaftsgeschichte, Universität Graz
Wenn Ökonomen heute Umweltprobleme oder soziale Ungerechtigkeit als Ursachen der Krise ausmachen, so beziehen sie den Begriff der Krise einmal auf die Analyse von Problemen und einmal auf die Beschreibung von Ereignissen. Woher kommt der Begriff der Krise eigentlich, was bedeutet er ursprünglich und weshalb bedarf die ›Krise‹ immer auch eines Beobachters? Wie kam es dazu, Soziales über die Form der Krise zu beobachten und warum wurde die Krise als strukturelles Signum der Neuzeit bezeichnet? An diese und andere Fragen möchte der Vortrag aus theoretisch-konzeptueller und wissenschaftshistorischer Sicht herangehen, auch um zu zeigen, welche Wissenschaftsprozesse im Verhältnis von Natur und Gesellschaft im Hintergrund stehen, wenn wir heute von Krise sprechen.
Aufzeichnung der Montagsakademie vom 24.04.2017
"Kann Solidarität (v)erlernt werden? Freiwilliges Engagement im Bereich Flucht und Migration"
Ao.Univ.-Prof. Mag. Dr. Annette Sprung, Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft, Universität Graz
Der Umgang mit Flucht- und Migrationsbewegungen zählt zu den großen Herausforderungen unserer Zeit und stellt zugleich eines der umstrittensten Themen in Politik und Alltag dar. Während einerseits eine vehemente Ablehnung der Aufnahme geflüchteter Menschen artikuliert wird, beteiligten sich andererseits in den vergangenen Monaten zahlreiche Menschen freiwillig an der Erstversorgung sowie der längerfristigen Unterstützung der Schutzsuchenden. Der Vortrag befasst sich mit den Motiven und Erfahrungen von Menschen, die sich in Krisenzeiten solidarisch engagieren und fragt insbesondere nach Lern- und Bildungsprozessen, die in diesem Zusammenhang stattfinden. Darüber hinaus wird die gesellschaftspolitische Funktion freiwilligen Engagements kritisch reflektiert und diskutiert, welche Konzeptionen von ‚Solidarität’ vor dem Hintergrund globaler Mobilität und neuer sozialer Ungleichheiten angemessen erscheinen.
Aufzeichnung der Montagsakademie vom 08.05.2017
"Was tun nach der Katastrophe? Krisenintervention und psychosoziale Akutbetreuung."
Prim. Dr. Katharina Purtscher-Penz, Leiterin der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, LKH Graz Süd-West
Katastrophen kündigen sich in seltenen Fällen kurzfristig an, wie bei steigendem Hochwasser mit Murenabgängen. Fast immer treffen sie uns jedoch völlig unerwartet als Natur- oder durch Menschen verursachte Ereignisse, wie z.B. die Amokfahrt in Graz. Die unmittelbaren psychischen Reaktionen sind deshalb kaum zu beeinflussen. Die möglichen Sofortmaßnahmen der Rettungs- und Hilfsorganisationen danach haben einen bedeutenden Einfluss auf die Belastungen von Betroffenen. Das Ausmaß an erlebter und subjektiv empfundener Hilflosigkeit, Ausgeliefertheit und Schutzlosigkeit bestimmt im Wesentlichen die psychischen Belastungen und mögliche Symptome in weiterer Folge. Rasche psychosoziale Unterstützung in der Akutphase und proaktive Hilfsmaßnahmen in der Übergangs- und Langzeitphase für die unterschiedlichen Bedürfnisse der betroffenen Personen durch professionelle MitarbeiterInnen der hauptsächlich ehrenamtlichen Teams der Krisenintervention sind heute neben den Rettungsorganisationen eine nicht mehr wegzudenkende Hilfe und Akutunterstützung.
Aufzeichnung der Montagsakademie vom 29.05.2017
"Automation und Kommunikation - wird unser Leben damit sicherer?"
O.Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Reinhard Posch, Institut für Angewandte Informationsverarbeitung und Kommunikationstechnologie, Technische Universität Graz
Elektronische Kommunikation verändert unser Verhalten, unsere Arbeitsweise und damit unser Leben. Im Durschnitt blickt die ÖsterreichIn alle 18 Minuten auf ihr Smartphone. Noch vor einigen Jahren wäre das ein undenkbares Szenario gewesen, aber mittlerweile sind Garagentore, Lichtschalter und natürlich praktisch alle Telefone und Computer im Internet.
Nicht nur wird das Internet zur kritischen Infrastruktur – wenn es ausfällt können wir nur mehr sehr umständlich Flüge buchen Fahrkarten und Fahrrouten besorgen etc. – es wird ein Teil unseres Lebens davon abhängig und damit auch den Gefahren im Internet ausgesetzt. Wir müssen unser Verhalten im Netz aber auch unser Konsumverhalten, was Dinge betrifft, die sich mit dem Internet verbinden hinterfragen. In einem globalisierten neuen Szenario glauben viele, es gäbe keine Regeln und keine Verantwortung. Um dieses Wissen und das Bewusstsein um diese Regeln und dieser Verantwortung müssen wir uns selbst (durch unser Verhalten), aber auch die Anbieter von Produkten (durch professionell ausgebildete Personen) bei der Herstellung und beim Einsatz dieser, stärker kümmern und bemühen. Mit dem Internet der Dinge wird sich die Zahl der Geräte im Internet noch einmal vervielfachen. In einem PKW sind heutzutage etwa 50 bis 100 Computer – wenn sich diese und die Computer von Waschmaschinen, Stromzählern, Türklingeln … auch nur zu einem Teil im Internet wiederfinden, können wir die Dimension und damit die Notwendigkeit, robustes Verhalten und Sicherheit im Internet langsam begreifen.
Aufzeichnung der Montagsakademie vom 12.06.2017
"Von der Krise in die Medien - mit den Medien in die Krise: Die prekäre Beziehung zwischen dem Krieg und den Berichten darüber"
Norbert Mappes-Niediek, freier Journalist und Autor
Kriegsberichterstattung ist seit 150 Jahren in so gut wie jedem Krieg ein eigenes Thema. Die Argumente, die dabei ausgetauscht werden, rühren an die Grundprobleme des Journalismus und sind auch in der aktuellen Debatte über „Lügenpresse“ und „Fake News“ wieder aktuell. Der Ruf nach engagiertem Journalismus löst das Dilemma so wenig wie der nach neutraler, objektiver Berichterstattung. Beide Forderungen sind stimmungsabhängig und lassen sich nur austarieren, wo Journalisten den emotionalen, gedanklichen und vor allem zeitlichen Spielraum, sie gegen einander auszutarieren. Der Vortrag stützt sich auf die eigenen journalistischen Erfahrungen des Autors aus den Kriegen der 1990-er Jahre im früheren Jugoslawien.
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